Seit Donnerstag läuft der neueste Teil der Exorzist-Reihe in den Kinos und versucht sich am Genre des Horrorfilms. Unvergessen und ein ganz besonderer Punkt in der Filmgeschichte ist der originale “Der Exorzist” (1973). Ein Film, dessen Niveau man offenbar nur schwer erreichen kann. Die Geschichte rund um das Mädchen Reagan und ihrer Mutter hat sich seither ins kollektive Gedächtnis eingebrannt, genauso wie der ikonische Spinnengang, der bis zur erstmaligen deutschsprachigen Veröffentlichung in der Director’s Cut Version von 2001 hierzulande unbekannt war. Aus diversen Gründen wird dem neuen Teil “Der Exorzist – Bekenntnis” dieses Vermächtnis verwehrt bleiben.

von Richard Potrykus

Erzählt wird die Geschichte mehrerer Menschen. Der Fotograf Victor Fielding (Leslie Odom Jr.) verliert bei einem Erdbeben seine schwangere Frau. Dreizehn Jahre später, das Kind kann offenbar gerettet werden, lebt er als alleinerziehender Vater zusammen mit der Tochter Angela (Lidya Jewett). Eines Tages fragt ihn das Kind, ob sie nach der Schule, entgegen der Gewohnheiten, zu einer Freundin gehen dürfe um zu lernen. Nicht frei von Verlustängsten gibt der Vater nach und gestattet es ihr, sofern sie zum Abendessen wieder zuhause ist. Typisch für das Verhalten von Teenagern im Hollywood-Kino, versteckt sich hier eine Lüge. Tatsächlich treffen sich die Mädchen nicht zum Lernen, sondern zu einer Art Séance. Als sie nicht zurückkehren, werden sie von den Eltern als vermisst gemeldet. Erst drei Tage später werden die Mädchen in einer Scheune gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Von da an leiden sie unter Amnesie und benehmen sich eigenartig.

Angela und ihre Freundin Katherine (Olivia McNeill) verändern sich zunehmend und irritieren die Eltern (neben Odom Jr. sind hier Miranda Nettles und Norbert Leo Butz zu sehen) so sehr, dass diese irgendwann keinen Rat mehr wissen. Da taucht auf einmal Victors Nachbarin Ann (Ann Dowd) auf, eine Krankenschwester, die dereinst Nonne werden wollte, und gibt Victor das Buch von Chris MacNeill (Ellen Burstyn), jener Mutter aus dem originalen Exorzisten. Dann kommen noch Victors Bekannter Stuart (Danny McCarthy), Pastor Don Revans (Raphael Sbarge) und die Heilerin Dr. Beehibe (Okwui Okpokwasili) hinzu. Als klar wird, dass ein Exorzismus unausweichlich scheint, treffen die Figuren schließlich auf Vater Maddox (E. J. Bonilla). Zusammen bilden sie schließlich eine illustre Gruppe, die sich nicht einigen kann, was die richtige Lösung ist, und gerade dem folgt, der am lautesten schreit.

Und genau darin liegt das große Problem des Films. Die gesamten 111 Minuten Laufzeit über schwebt das Religiöse über allem, beginnend bei einer haitianischen Segnung, über einen baptistischen Gottesdienst bis hin zu rituellen Austreibungs- und Bannprozessen. Die dabei eingeführten Figuren sind einander vollkommen fremd. Die Nachbarin Ann wohnt zwar neben Victor, ist aber nicht mit ihm befreundet, auch die Eltern der beiden Mädchen kennen einander nicht. Stuart schwebt in eigenen Sphären und der Pastor und die Heilerin haben ebenso wenig gemein. Dabei sendet der Film als Botschaft aus, eine Gemeinschaft könnte alles schaffen. Da aber die Gemeinschaft nicht existiert und auch im Verlauf des Films nicht zustande kommt, muss die Gruppe am Ende versagen. Eine Lösung schafft allein das Individuum.

Der Film begeht hier den gleichen Fehler wie vor Kurzem “Insidious: The Red Door”. Anstatt sich auf einen überschaubaren Kern zu konzentrieren und diesen auszuformen, werden unnötig neue Figuren eingeführt. Ellen Burstyn ist hier der Inbegriff von Fanservice und Verschwendung pur. Der Film wiederholt diverse Momente aus “Der Exorzist”, aber macht daraus nicht mehr. Während Reagan unangebracht die kleine Feier stört, stört Katherine einen Gottesdienst, und während es im Original einen kurzen Diskurs mit Kirchenoberen gibt, die entscheiden sollen, ob ein Exorzismus durchführbar ist, wird dieser im neuen Film emotional aufgeladen und bleibt doch ohne nennenswerte Konsequenz. Es wird geflucht und ein Kreuz wird als Stichwaffe verwendet, genauso, wie es schon im ersten Teil der Fall war. Selbst der ikonische Schriftzug aus Narbengewebe wird recycelt. In einzelnen Elementen gibt der “Der Exorzist – Bekenntnis” immer wieder Referenzen an den Film von 1973, doch erschafft er weder etwas Neues, noch führt er ansatzweise zum gleichen Ziel. Während William Friedkin die Teile sorgfältig auswählte, um ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen, gleicht der neue Film einer Patchworkdecke aus Stoffresten mit allerhand losen Fäden.

Auch formalästhetisch gibt “Der Exorzist – Bekenntnis” nicht viel her. Hier und da gibt es Schockmomente, die aber nicht nachhaltig sind, und da, wo der Film dauerhaften Grusel aufbauen könnte, bricht er mit sich selbst und der Atmosphäre, die im Entstehen war. Die Kameraarbeit von Michael Simmonds hat zwar durchaus anständige Momente, überzeugt am Ende aber leider nicht. Zugegeben, dies muss nicht Simmonds Schuld sein, denn, was wirklich eine Katastrophe darstellt, ist das Drehbuch von Peter Sattler und David Gordon Greene, der auch Regie geführt hat. Es gibt einen Text von Slavoj Žižek über Hitchcocks “Die Vögel” (1963) und warum die Vögel angreifen. Dabei stellt der Autor die Frage, was für ein Film übrigbliebe, entfernte man die Vögel daraus. Diese Frage kann auch auf andere Filme angewandt werden und ist im Fall von “Der Exorzist” gut zu beantworten. Ohne die Besessenheit gibt es hier noch immer eine alleinerziehende Mutter, die mitten in ihrer Karriere steckt, ein zwölfjähriges Mädchen, welches in gewisser Weise vernachlässigt wird, mit einem Kindermädchen an ihrer Seite und einem Vater, der von ihr nichts wissen will. Dazu kommt noch ein Priester, der seinen Glauben verloren hat, und dessen Mutter, die in Armut stirbt. Hinzu kommen kleinere Nebenfiguren mit ebenso kleineren Schauplätzen.

Entfernt man die Besessenheit aus “Der Exorzist – Bekenntnis”, bleibt kein nennenswertes Schicksal übrig. Die Figuren werden in keiner Weise unterfüttert. Es gibt keinen nennenswerten Konflikt zwischen Victor und Angela und über Katherines Familie erfährt das Publikum nur, dass sie offenbar wohlhabend und sehr gottesfürchtig sind. Die Krankenschwester ist so gut wie namenlos und die übrigen Figuren sind noch uninteressanter. Die vermeintliche Gemeinschaft, die hier in den (christlichen) Himmel gehoben werden soll, ist nicht existent, obwohl sie durch einen Monolog plakativ verbalisiert wird. Nun könnte man dem Film unterstellen, nur unterhalten zu wollen, ohne größeren Überbau, doch auch das schafft er nicht. “Der Exorzist – Bekenntnis” ist ein krudes Durcheinander von Ideen und Momenten, bei denen diverse Handlungsmotivationen einfach ins Leere laufen. Dabei handelt es sich nicht um sogenannte red herrings, also falsche Fährten, wie sie aus Kriminalfilmen bekannt sind. Es sind schlicht Momente, die irgendwann ausgedient haben, weil das Drehbuch ihnen ein Ende setzt.

Fazit

“Der Exorzist – Bekenntnis” ist leider kein guter Film. Die einzelnen Stationen der Handlung ergeben sich nicht organisch dem Vorhergegangenen, sondern weil sie irgendjemand niedergeschrieben hat. Der Film bezieht sich zu Unrecht auf einen der großen Klassiker. Er hat ein paar Schockmomente, die aber keine Nachwehen haben, da sie nur für den Moment existieren und nicht Teil eines großen Horrors sind. Es gibt zu viele Figuren und zu wenig Masse.

Bewertung

Bewertung: 3 von 10.

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